Post-democratic Kindness

Meine gesamte berufliche Laufbahn hindurch wurde mir immer wieder gesagt, ich würde die Welt durch eine rosarote Brille sehen – und das sei naiv. Es ging um meine Überzeugung, die ethische Gewichtung zu forcieren und den Geist des Humo Ludens zu kultivieren.

In den wettbewerbsintensiven Märkten der professionellen Beratungswelt galt: Wer nicht kämpft, verliert. Es wurde „überschritten“, „vernichtet“, „eingeschüchtert“. Der Mensch sei brutal, die Ressourcen knapp.

Seit diesen Erfahrungen hat sich die Welt weiter polarisiert. Auf den Bühnen der Weltpolitik oder in der Medienlandschaft werden tiefe Spaltungen sichtbar.

Wir leben in post-demokratischen Verhältnissen.

Der Begriff „post-demokratisch“ (vgl. Colin Crouch) beschreibt Gesellschaften, in denen demokratische Strukturen formal bestehen bleiben, inhaltlich aber ausgehöhlt werden – durch Lobbyismus, Intransparenz und Entpolitisierung.

Das Rechtsverständnis, das ich seit meinen frühen Tagen am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre verinnerlicht hatte, der Glaube an das Recht als demokratisches Regulierungssystem, muss einer neuen Sichtweise unterzogen werden: Gehen wir ins Kino!

The Way of Kindness

In dem Film „Everythin Everywhere All at Once” erfahren wir eine tiefgreifende emotionale Botschaft. In diesem gefeierten Film des Jahres 2022 folgen wir der Protagonistin Evelyn Quan Wang (Michelle Yeoh). Sie wird in eine rasant-abenteuerliche Geschichte hineingezogen, in der sie allein die Welt retten kann, indem sie andere Universen erkundet, die mit all den Leben verbunden sind, die sie hätte führen können. So durchläuft sie eine emotionale Transformation – und erfährt die Kraft der Freundlichkeit als Weltzugang.

Auf dem AMAZE-Festival 2025 in Berlin thematisierte der Indie Game-Entwickler Somi Koo  (Guilt Trilogy, No Case Should Remain Unsolved) in seinem Vortrag “How an overly worried developer makes a narrative game” das Leiden des Individuums in einer gefühllosen Welt. Sein Anliegen ist es, Spiele zu entwickeln, die außerhalb des typischen Frameworks der Spieleindustrie funktionieren. So sagte er:

I made this game with faith that when we show kindness to others for no benefit of our own, we bring about change in a world of stagnation and alter the course of people’s lives.

Post-pemocratic Kindness

„Kindness“ wird in dieser Leseart zum integralen Prinzip des eigenen Denken, Handelns und Fühlen und steht für Empathie, Fürsorge, Mitgestaltung, Kooperation und Zuhören. Sie verbindet Ethik, soziale Verantwortung und politische Innovationskraft auf neue Weise.

Für mich legt mein Konzept zur „post-democratic kindness“ daher nahe, in Bildung und Weiterbildung (B2B/B2G/B2C) über folgende Themen nachzudenken und entsprechende Formate oder Formwelten zu entwickeln:

  • Empathische Führung in post-demokratischen Systemen
  • Kooperative Praxis in Verhandlungstechniken
  • Storytelling-Formate über politische Entfremdung & neue Nähe
  • Gamifizierte Bildungstools zu Post-Demokratie & soziales Verhalten
  • Care Ethik als Teil des Denkens

The Only Thing I Do Know Is That We Have To Be Kind. Please, Be Kind. Especialy When We Don´t Know What`s Going On.” Waymond Wang (Ke Huy Quan) in Everythin Everywhere All at Once

  • From Competition to Compassion
  • How to Listen in Systems
  • Post-Democracy as Experience

Abb: Beitragsbild, Elisabeth Hödl

@ubifacts, 4. Juni 2025