Kybernetische Spiele

Gedichte können uns helfen, den Dingen der Welt auf einer tieferen, nicht sofort sichtbaren Ebene zu begegnen. Gerade in Zeiten des zunehmenden Einsatzes von künstlicher Intelligenz gewinnt dies an Bedeutung. Warum? Weil Poesie unsere Wahrnehmung schult – sie sensibilisiert uns für Zwischentöne, für das Unausgesprochene und unsere eigenen Empfindungen. Sie lädt uns ein, anders hinzusehen und anders zu fühlen – jenseits des Rationalisierbaren und Messbaren.

In der Festschrift für Dietmar Jahnel mit dem Titel „Am Glasfaserpuls“ finden Stimmen datenschutzrechtlicher Expert:innen in Österreich zusammen. Der Jubilar hat sich in seiner langjährigen akademischen Karriere als Datenschutzexperte „der ersten Stunde“ ausgezeichnet, durch zahlreiche Schriften, Vorträge und Standardwerke wurde er zum Begriff.

Das Datenschutzrecht ist eng mit der Digitalisierung der Gesellschaft verwoben und führt zwangsläufig auf die unterschiedlichen kybernetischen Spielstätten. So habe ich mich entschlossen, für die Festschrift ein Gedicht zu verfassen; zumal der Geehrte selbst Lyriker ist. Der Titel der Festschrift ist seinem poetischen Werk „am Glasfaserpuls“ – Getauschte Schatten (1997) 9 ff entnommen, erläutern die Herausgeber:innen im Vorwort.

Mein Gedicht lässt sich als komplexe Reflexion über Kommunikation, Freiheit und Wahrheit verstehen – besonders im Kontext der digitalisierten Gesellschaft. Es entfaltet sich auf drei Ebenen: analytisch, künstlerisch und philosophisch. Jede dieser Ebenen thematisiert unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung und ihrer Wirkung auf unsere Kommunikationskultur, Privatsphäre und Wahrnehmung von Wahrheit.

Dietmar Jahnel und die Drei Ebenen

Ebene 1: Rechtswissenschaften [Analytische Ebene]

Unter Freiheit der Meinungsäußerung verstehen wir den freien Ausdruck von Gedanken.

Ich habe das Recht gehört zu werden. Ich habe das Recht zuzuhören.

Wie aber können wir unsere Meinung ausdrücken?

Meinungsäußerungen sind – um es mit den Worten des österreichischen Verfassungsrechtlers und Menschenrechtsexperten Felix Ermacora zu sagen – „vielfältig und hängen von der menschlichen Phantasie ab“.

Ebene 2: Lyrik [Künstlerische Ebene)

Im Kunsthaus läuft ein Film,

der sagt es Ohne Wort.

Ein weißer Teppich liegt uns vor,

ist ausgebreitet in der Redaktion der Wahrheit.

Du sollst die „Schuhe ausziehen!“ denkst du dir,

denn diese Quelle ist geschützt.

Dann blickst du hin und siehst: im Teppich ist ein Rauschen.

Was sagt Claude Shannon uns mit

dem Kommunikationsmodell?

Nicht um „die einzelnen Symbole geht es,

sondern um die Fähigkeit,

Fehler zu erkennen und zu korrigieren“.

Für einen der es lesen kann: das ist die Sprache des Non Serviam!

Ebene 3: Alltagssprache und Philosophie [Kommunikative Ebene]

A: „Was soll das heißen? Non Serviam?“

B: „Naja – der Teufel sagt‘s. Ich diene nicht. Da leuchten Reporter mit der Taschenlampe unter jedes Bett. Da is nix mehr mit Datenschutz.“

A: Na geh. Jetzt trink ma a Glaserl und lass ma`s gut sein für heute.”

B: „Im Wein liegt Wahrheit – und mit der stößt man überall an.“

Elisabeth Hödl, Dietmar Jahnel und die Drei Ebenen, in: Janisch/Kremplmeier/Mader/Staudegger/Thiele (Hrsg), Am Glasfaserpuls. Festschrift für Dietmar Jahnel, Jan Sramek Verlag 2025, S 279 Am Glasfaserpuls

Der letzte Satz ein Hinweis auf G.W. Hegel.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel – Wikipedia