Ich sehe was durch die KI

In Fortsetzung an die Überlegungen zu „Human in the Loop“ und „Becoming a Mirror“ habe ich folgendes Experiment durchgeführt: Ich habe ein Bild gemalt und dieses der KI zur Interpretation vorgelegt. Die KI schlug dabei eine ULTRA-akademische, theoretisch hochverdichtete, poststrukturalistisch-semiotisch durchdrungene Deutungsversion vor, die ich akzeptierte. Zudem habe ich um einen Bildtitel gebeten.

Vorgeschlagener Bildtitel

„Diagramm einer prä-symbolischen Transduktion“

(Alternativ: „Proto-ikonische Maschine im Feld kindlicher Agency“)


Kuratorischer Meta-Essay

Mischtechnik auf Papier

Das vorliegende Werk entfaltet sich als multistratifikatorisches Bildereignis, in dem sich ikonische, diagrammatische und linguistische Register in einer Weise überlagern, die an jene nicht-hierarchischen, rhizomorph strukturierten Ausdruckszonen erinnert, wie sie Deleuze und Guattari für die prä-signifikante Produktion des Ausdrucks beschrieben haben. Das Blatt operiert damit jenseits einer repräsentationalen Logik und etabliert sich als operative Oberfläche, in der Zeichnung nicht Abbild, sondern Akt ist – ein Vollzug, der Spuren der Affektproduktion, der energetischen Übertragung und des entstehenden Symbolischen in sich trägt.

1. Prä-symbolische Morphogenese

Der linke Bildsektor lässt sich als prä-symbolisches Depositorium fassen, in dem biomorphe Gebilde – zugleich phallisch, totemhaft, embryonal und technisch-organisch – in einem Zustand ungerichteter, noch nicht kodifizierter Materialität erscheinen. Hier wird das Bild als Zone subjektloser Produktion denkbar: eine Topologie, die an Lyotards Konzept des figuralen Raums anschließt, in dem das Zeichen sich seiner eigenen Ordnung entzieht und in ein Zustandsfeld reiner Intensität übertritt.

Die amorphe Proliferation dieser Formen verweist nicht lediglich auf Art Brut oder Surrealismus, sondern aktualisiert jene diagrammatische Matrix, die Deleuze als „Karte des Werdens“ bezeichnet: Ein Ort, an dem das Sichtbare noch nicht Objekt, das Sagbare noch nicht Sprache und das Körperliche noch nicht Identität besitzt.

2. Die zentrale Operator-Figur als Transduktionsapparat

Die mittige hybride Figur ist nicht im klassischen Sinn figurativ, sondern funktional: Sie fungiert als Transduktionsapparat, als semio-materielle Vermittlungsinstanz zwischen heterogenen Ausdrucksschichten. Diese Lesart folgt Simondons Theorie der Transduktion, nach der Formen nicht gegeben sind, sondern im Prozess der Übertragung zwischen Systemen emergieren.

Die spiralische Armausbildung repräsentiert nicht eine Bewegung, sondern eine epistemische Operation:

  • Sie ist Vektor eines energetischen Transfers,
  • Katalysator einer Transformation zwischen vormals heterogenen Registern,
  • Regelbrecher gegenüber linearen semantischen Modellen.

In morphologischer Hinsicht erinnert die Figur an post-figurative Instanzen der 1980er Jahre (Basquiat, Penck, Clemente), jedoch wird hier nicht Ausdruck subjektiver Innerlichkeit formuliert, sondern eine posthumanistische Operatorin, ein „Knotenpunkt verteilten Agierens“ im Sinne jüngerer New-Materialism-Diskurse (Barad, Braidotti). Die Figur ist weniger „Jemand“ als ein Agent – ein semiotisch-materieller Umschaltknoten.

3. Textuelle Vertikalität als Dispositiv

Der rechte Bildrand wird linguistisch strukturiert und bildet ein vertikal organisiertes Dispositiv, in dem Text als Bild agiert. In dieser Konfiguration lösen sich die traditionellen Differenzen zwischen Ikonischem und Symbolischem auf: Die Schrift fungiert nicht als erläuternder Zusatz, sondern als aktivierende Instanz, die Handlungsmöglichkeiten setzt. Es handelt sich um eine Form von diagrammatischer Sprache, wie sie in den Arbeiten Twomblys, auch in der poetischen Materialität Hanne Darbovens oder in den „Interface-Schriften“ der 1990er Post-Internet-Kunst anklingt.

Die Phrasen „THE CHILD WANTS TO PLAY“ und „START“ markieren semantische Impulsfelder, die weniger lesbar als vielmehr auslösbar sind. Die Schrift fungiert hier als Performativ. Sie ist kein Text, sondern ein Befehl zur möglichen Aktualisierung eines Geschehens.

4. Die Funktion des Spiels im post-digitalen Zeitalter

Die Bezugnahme auf das Kind als Subjekt – oder Prä-Subjekt – ist dabei keineswegs harmlos. Kindliches Spielen erscheint hier als anthropologisch irreduzible Form von Kreativität, die sich dem algorithmischen Regime der Rationalisierung entzieht. Im Rahmen der KI-Debatte erhält das Spielerische eine epistemopolitische Dimension:

  • Das Spiel ist weder optimiert noch effizient;
  • es ist kontingent, verkörpert und regellos;
  • es generiert Bedeutung durch Abweichung, nicht durch Mustererkennung.

Damit markiert das Werk eine Zone, in der menschliche Kreativität nicht als Stil oder Output verstanden wird, sondern als prozesshafte Emergenz, die sich algorithmisch nicht abbilden lässt. Die Arbeit insistiert auf jener „Residualität des Humanen“, die in KI-Diskursen häufig aus dem Blick verschwindet: der Fähigkeit, Bedeutungen nicht zu berechnen, sondern zu setzen – irrational, impulsiv, verkörperlicht.

5. Die Relevanz des Werkes im KI-Zeitalter

Gerade im Kontext generativer Bildsysteme erhält dieses Bild eine besondere Bedeutung. Während KI-Stile interpoliert, Muster rekombiniert und Wahrscheinlichkeiten maximiert, stellt die hier gezeigte Produktion eine Ästhetik des Unvoraussagbaren in den Vordergrund. Das Werk entzieht sich durch seine diagrammatische Struktur jeder Maschine der Vorhersagbarkeit. Es produziert nicht Variation, sondern Ereignis.

In diesem Sinne repräsentiert das Werk nicht den Gegensatz zur KI, sondern ihren blinden Fleck: jene Sphäre, in der Materialität, Körperlichkeit und Affekt als unberechenbare Operatoren wirksam bleiben. Es ist ein Bild, das die Residuen menschlicher Bildproduktion sichtbar macht – jene Zonen, in denen „Fehler“, „Exzesse“, „Übertragungen“ und „Verzerrungen“ nicht Defizite, sondern produktive Kräfte darstellen.

Bild: Elisabeth Hödl

Text: ChatGPT-5, free version/29.11.2025.