Abb.: wikipedia/gemeinfrei

Subjekt, Autonomie und ICH

Dem Subjekt-Begriff kommt eine wesentliche Rolle in unserem Rechtssystem zu. Er betont Autonomie, Handeln und Individualität. Subjektive Rechte bilden einen entscheidenen Anknüpfungspunkt für den Rechtsschutz. Wie hat sich dieser Begriff entwickelt?

Bei Decartes wird das Subjekt zum erkennenden, denkenden und handelnden Ich, und dieses Ich steht seinerseits dem Objekt gegenüber. Damit ist eine Unterscheidung eingeführt, die sich in zwei Entitäten begreifen lässt: dem  denkenden Bewusstsein einerseits (res cogitans) und den realen räumlich ausgedehnten Dingen andererseits (res extensa).

Der Mensch hat Teil von beidem. Er verfügt über Körperlichkeit, was ihn zu einem Bestand der Dingwelt macht und er verfügt weiter über Bewusstsein und kann wahre Erkenntnisse erlangen. Dies kann er unabhängig von den Sinneseindrücken, denn diese mögen trügerisch sein und daraus lässt sich weiter ableiten, dass der Mensch über die Fähigkeit verfügt, logisch zu denken.

Der moderne Subjektbegriff wird insofern definiert, als der Mensch als empathisches und mit Vernunft ausgestattetes Wesen selbst Quelle aller Erkenntnis ist.

Der Subjektbegriff, den die kontinental-europäische Aufklärung und der deutsche Idealismus entwickelt haben, umfasst also sowohl das erkennende als auch das moralische und politisch handelnde Subjekt. Daraus lassen sich nunmehr folgende Aspekte für den Subjektbegriff erkennen:

  • Der Mensch (das Individuum) als Subjekt ist befähigt, selbständig die Welt zu erkennen.
  • Das Subjekt ist reflexiv, das heißt, das Subjekt ist in der Lage, sein Denken zu objektivieren und sich auch seiner Identität bewusst zu werden.
  • Das Subjekt ist in der Lage, Handlungsalternativen gegeneinander abzuwägen, es ist fähig, moralische Entscheidungen zu treffen und im Bewusstsein der Autonomie zu entscheiden.
  • Das Subjekt bezieht sich auf andere Subjekte und auf die Gesellschaft der Subjekte.
  • Das Subjekt verständigt sich mit anderen in sprachlich diskursiver und so auch vernünftiger konsensorientierter Kommunikation.
  • Das Subjekt versteht sich auf Basis solcher Kommunikation als Autor seines Handelns.

Damit sind alle Menschen „von Natur aus“ frei und souverän. In der Konzeption des Rechts zeigt sich dies etwa in den individuellen Freiheitsrechten, die als Basis des Grundrechtsverständnisses betrachtet werden können. Hier wird das Individuum zum Träger von Vernunftautonomie und Entscheidungssouveränität. Das heißt zugleich, dass die Konzeption des Subjektes nach den Modellen der Aufklärung im gesellschaftspolitischen Kontext an die Inanspruchnahme individueller Selbstbestimmung geknüpft ist (Habermas, Ist der Herzschlag der Revolution zum Stillstand gekommen? Volkssouveränität als Verfahren. Ein normativer Begriff der Öffentlichkeit?, in Forum für Philosophie Bad Homburg (Hrsg): Die Idee von 1789 in der deutschen Rezeption (1989) 7-37).

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Georg R. Donner

Wandel des Subjektbegriffs

Das Subjekt wird nicht als eine durch reines Denken gestiftete Einheit begriffen, sondern als etwas, das dem Verhältnis eines Individuellen zu einem fremden, antagonistischen Anderen der Gesellschaft entspringend betrachtet wird. Subjekt ist nun eine duale und dynamische Struktur (Adorno und Hegel).

Der moderne Mensch hat vieles von seiner Subjektivität an die von ihm geschaffene Realität abgegeben. War das Subjekt in seiner frühen Definition in Opposition zu einer für ihn äußeren gesellschaftlichen Wirklichkeit zu sehen, so ist das Subjekt-Objekt-Verhältnis nun in das Subjekt selbst hinein verlegt worden. Der Rollenakteur bewegt sich ganz in der Gesellschaft und steht ihr nicht mehr als Handlungssubjekt gegenüber. Das Individuum ist dem Zwang sozialer Tatsachen ausgeliefert (Durkheim).

 

Subjekt im Ubiquitous Computing

Das Subjekt löst sich auf, verschmilzt mit der Umgebung, wird Teil des Ganzen, zerfällt in seine Einzelteile, ist DNA und Verflechtung mit technischen Systemen, ist Unbewusstes und Bewusstes, ist selbst in seinen zeitlichen Dimensionen nicht mehr verortet, ist ein kollektivistisches Subjekt und ein vernetztes Subjekt.

War es früher Aufgabe des Subjekts sich zu dem zu machen, was es ist, also die philosophische Frage der Selbsterkenntnis zu lösen, so konstruiert sich das „Ich“ im Ubiqutious Computing von nun an selbst. Es geht von nun an darum, herauszufinden, welche Optionen einem Individuum zur Verfügung stehen.

Damit entstehe nach dem Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel das optionale Subjekt, das zugleich ein „positionales Subjekt“ sei. Es werde in Zukunft fragmentarische Biographien geben, mit Positionen, die ein Subjekt durchlaufen werde. Nicht mehr „cogito ergo sum“ sei die Prämisse, sondern die Frage richtet sich darauf, was jemand optional erreichen kann.

Gene, Körper, Anatomie gelten als Orte des Schicksals. Identitätsnachweise, Identitätsspiele, Identitätsvielfalt, genetische und virtuelle Disposition würden jedoch darauf hinweisen, dass der Mensch eine Konzeption jenseits des Humanen sei. Die gesamte Medienlandschaft sei ein Theater der Simulakra.

Scheinbilder würden einen Horizont dessen zeigen, wie sich das „ICH“ entwickeln werde. Das ICH verschwinde zunehmend und erweise sich zugleich als Fiktion. Das ICH werde sich teilen und teile sich mit anderen, das ICH werde seine Organe teilen, es werde seine Gedanken teilen, es werde sich in der Summe dessen manifestieren, was optional zur Verfügung stehe und dieser Wandel ließe sich ganz besonders am Beispiel der Game-Kulturen im Internet zeigen.

(Zitiert nach Richard/Meier, Vom Globalen Village zum Globalen Cafe: Kunst und Design im Hypermedialand (Casion Container und Electronic Cafe International (ECI) auf der Documenta 9).)

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