Abb.: ubifacts/gemeinfrei

Software-Agenten im Recht

Da Software-Agenten differenzierte Reaktionen auf unterschiedliche Wahrnehmungen und Erfahrungen erbringen und auch Lernprozesse in Gang setzen können, ist damit eine Vielzahl rechtlicher Problemstellungen verbunden. Es ist zu prüfen, welche rechtlichen Normen für die einzelnen Themenstellungen von Bedeutung sein können.

Auf internationaler Ebene kann für den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs das “UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce” genannt werden, das von der UN in der Generalversammlung vom 16.12.1996 beschlossen wurde.

Hier wird auf Software-Agenten verwiesen und zwar insofern, als Nachrichten eines automatisierten Informationssystems dem Urheber zugerechnet werden. Artikel 13 Abs 2 lit b UNCITRAL Model Law on Electronic Commerce normiert die Zurechnung einer automatisierten Nachricht zu der Person, die das Informationssystem entweder selbst programmiert hat oder dessen Programmierung die Weiterleitung veranlasst hat.

In den USA existierte zudem ein Gesetzesentwurf, der Software-Agenten berücksichtigte. Es handelte sich um den Uniform Electronic Transactions Act. In dem Entwurf wurden Software-Agenten als reine Werkzeuge und Kommunikationsmittel vom Menschen angesehen.

Im Gesetzesvorschlag Uniform Computer Information Transactions Act war ein Rechtsrahmen für Computer Verträge, Softwarelizenzen, Verträge über Programmentwicklung sowie Lizenzen für den Zugang zu online Datenbanken geschaffen worden. In diesem fand sich eine Definition für „elektronische Agenten“, wobei festgehalten wurde, dass eine „Stellvertreter“-Beziehung zum Menschen nach dieser Konzeption nicht geschaffen werden sollte, wodurch eine rechtliche Definition des Software-Agenten als Stellvertreter sohin ausgeschlossen  wurde.

Die Parteien sollten aber sehr wohl an die Aktionen der von ihnen eingesetzten Agenten gebunden sein. (Das Gesetzesvorhaben wurde 2003 für gescheitert erklärt, jedoch wegen des Umstandes, dass Lizenzsverträge für Software auch dann gültig sein sollten, wenn der Kunde sie erst nach Kauf des Produktes, lesen konnte.)

Europa

Software-Agenten fanden in Umsetzung der RL 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt keine Berücksichtigung. Die Stellvertretung im elektronischen Geschäftsverkehr durch Software-Agenten stellt jedoch für das E-Commerce-Recht ein juristisch zu lösendes Problem dar.

Nach Art 9 Abs 1 E-Commerce Richtline (RL über den elektronischen Geschäftsverkehr) müssen die Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten Abschlüsse von elektronischen Verträgen ermöglichen. (Die Umsetzung der RL fand in Österreich im E-Commerce-Gesetz statt: Bundesgesetz, mit dem bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt werden, E-Commerce-Gesetz – ECG, BGBl. I Nr. 152/2001 idgF.) Die geltenden Rechtsvorschriften dürfen keine Hindernisse für den elektronischen Geschäftsabschluss darstellen und dürfen auch nicht dazu führen, dass diese Verträge ungültig oder unwirksam werden.

Eine Kernfrage ist damit die „elektronische“ Kommunikation des menschlichen Benutzers mit den Agenten oder auch von Agenten untereinander. Software-Agenten bzw bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, wurden sohin weder in der RL noch in der staatlichen Umsetzung in Österreichisches Recht im E-Commerce-Gesetz ausdrücklich berücksichtigt. Eine klare Aussage über zB Gehilfenhaftung bezüglich des Softwareagenten ist nicht erkennbar.

Allgemeine Regeln des Zivilrechts

Untersucht man die Ausprägung eines Software-Agenten im Rahmen einer Vertragserstellung wird man aus innerstaatlicher Sicht und mangels einer gesetzlichen Regelung die allgemeinen Regeln des Zivilrechts heranzuziehen haben.

Zunächst wäre es denkbar und naheliegend, Software-Agenten als reine Kommunikationsmittel einzustufen. Benutzer können mit Hilfe technischer Mittel (etwa Telefon oder Faxgerät) Rechtsakte setzen und Rechtsgeschäfte abschließen. Durch die technischen Hilfsmittel selbst ergeben sich für die Zurechnungsproblematik zunächst keine Zweifel, da der menschliche Benutzer seinen Willen mittels dieser technischen Geräte direkt zum Ausdruck bringt.

Sollte man den Software-Agenten als Kommunikationsmittel definieren, so müsste ein Schaden, der aus dem Verhalten des Agenten resultiert, jedenfalls dem menschlichen Benutzer des Agenten zugerechnet werden. Dies hätte den Vorteil, dass es im Interesse des Benutzers liegen wird, dass der Agent ordnungsgemäß eingerichtet und regelmäßig gewartet wird.

Der Vergleich eines Software-Agenten mit bisher gebräuchlichen Kommunikationsmitteln hinkt allerdings insofern, als der Agent in dem meisten Fällen einen Ermessensspielraum hat, auf den der menschliche Benutzer keinen Einfluss mehr ausübt. Ein Beispiel für diesen Fall wäre ein Shopping-Agent, der für seinen Benutzer auf einem elektronischen Marktplatz Einkäufe tätigt.

Agenten verfügen über einen ihnen zugestanden Ermessenspielraum um Entscheidungen treffen zu können und das Rechtsgeschäft mit einer anderen Person (über dessen Agenten) abwickeln zu können.

Abb.: ubifacts/gemeinfrei
Was ist das Problem?

Diese Art des „Tätigwerdens“ der Agenten lässt darauf schließen, dass diese nicht allein als „reine“ Kommunikationsmittel eingestuft werden können, denn der Ausgang der Verhandlungen und der Abschluss eines Vertrages hängen vom Kommunikationsprozess der Agenten ab. Der Ermessensspielraum und die hochgradig technische Entwicklung eines Software-Agenten sind Eigenschaften, die Software-Agenten von reinen Kommunikationsmitteln klar unterscheiden.

Hinzu kommt, dass Software-Agenten sich der Dienste anderer Software-Agenten bedienen können und damit der Rechtsakt das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses zwischen unterschiedlichen Software-Agenten darstellt. Bei der Erarbeitung komplexer Verträge im Wirtschaftsrecht können unzählige Agenten beteiligt sein, um hochkomplexe Verträge für international agierende Konzerne zu erstellen.

Vertritt man die Ansicht, dass jene, die Software-Agenten nutzen, sich den eingeräumten Ermessenspielraum als unbeachtlichen Kalkulationsirrtum zurechnen lassen müssen, weil Software-Agenten Kommunikationsmittel darstellen, geht man damit zwar weiteren dogmatischen Detailfragen aus dem Weg, wird aber unter Umständen den zukünftigen Entwicklungen und der steigenden Komplexität des elektronischen Kommunikationsprozess nicht gerecht.

Software-Agenten als Boten oder Stellvertreter

Die Zuschreibung der menschlichen Person hinter dem Computer ist damit zunächst klar: geteilter Meinung kann man jedoch hinsichtlich der Frage sein, ob diese Zuschreibung mittels allgemeiner Grundsätze des Vertragsrechts erfolgen soll, oder über die Analogie zur Botenschaft oder der Stellvertretung. Nach der jeweiligen dogmatischen Konstruktion werden die Risiken einer Fehlfunktion des Software-Agenten nämlich unterschiedlich verteilt.

Wie aber ist vorzugehen, wenn Software-Agenten manipuliert wurden oder gerade aufgrund ihrer „künstlichen Intelligenz“ irrten?

Denkbar wäre, dass ein Software-Agent Rechtshandlungen setzt, die nach der Konzeption des Programmes vernünftig und logisch erscheinen, die aber dennoch nicht im Sinne des Anwenders sind.

Vgl auch Gunther Teubner, Elektronische Agenten und grosse Menschenaffen: Zur Ausweitung des Akteurs-status in Recht und Politik, in Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft herausgegeben von Jörg Schmidt, Interdisziplinäre Wege in der juristischen Grundlagenforschung, Genf 2007.

 

Abb.: ubifacts/gemeinfrei

 

© UBIFACTS/2013