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Postdemokratie

Die Übergangsphase zwischen Demokratie und der Gesellschaft im Ubiquitous Computing könnte jener Bestandsaufnahme ähneln, die der britische Politikwissenschaftler und Soziologe Colin Crouch als Postdemokratie bezeichnet hat.

Nach diesem Ansatz wird als Postdemokratie ein politisches System bezeichnet, in dem sich die Ordnung des Gemeinwesens zwar als demokratisch begreift, letztlich jedoch eine Oligarchie darstellt. (Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt am Main 2008). Der zuerst von dem französischen Philosophen Jacques Rancière verwendete und später von Crouch ausgeführte Begriff enthält eine These über die reale Verfassungslage der Gegenwart.

Definition

Das von Crouch als Postdemokratie bezeichnete Modell ist damit eine Metapher, die besagt: Entscheidungen werden nicht durch Mehrheitsentscheidungen (demokratisch) getroffen, sondern von Eliten. Der Wähler könne die fertigen Programme, die von den Eliten in Wahlverfahren vorgelegt werden, nur mehr als Ganzes bloß bestätigen oder ablehnen. In einem solchen System komme demokratischen Instrumenten, nur mehr instrumentelle Bedeutung für die Verbindlichkeit kollektiver Entscheidungen zu.

Experten, Kommissionen, Wirtschaftsinstitutionen

Nach Crouchs These bestimmten professionelle Expertenteams die Debatte im Wahlkampf. Dies Teams wählten die Themen aus. Die politische Wahl werde in der Postdemokratie zur Funktion expressiven Handelns. Zu den Eliten zählen global agierende Unternehmen, die aufgrund des Lobbyismus wesentlich größeren Einfluss auf Regierungen hätten, als andere Interessensgruppen oder Nichtregierungsorganisationen.

Auf der anderen Seite sei offenkundig geworden, dass die zunehmende Privatisierung, den Bürgern vermehrt Verantwortung für ihr eigenes Leben übertragen habe. Diese Verantwortung könne der Bürger aber gar nicht autonom wahrnehmen, da dieser an die Regeln der Wirtschaft gebunden sei. Die Masse der Menschen habe mit sich zunehmend verschlechterten Lebensbedingungen zu kämpfen (und in Wahrheit gar keine andere Wahl, als sich den Wirtschaftsregeln zu beugen).

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Geld zeucht die Welt, Paul Fürst um 1650

Schließlich agiere der Staat selbst im Dienste der Ökonomie und trete mehr und mehr von seinen eigentlichen Aufgaben zurück. In diesem Maße aber bedeute Selbstverantwortung für den Bürger zugleich dessen Abhängigkeit von wirtschaftlichen Prozessen.

Postdemokratische Partei

In der Unfähigkeit, dies zu erkennen, liege die fundamentale Naivität des neoliberalen Denkens. Die Partei des 21. Jahrhunderts sei eine Postdemokratische Partei: ihrem Wesen nach ein Unternehmen, beziehungsweise ein Netzwerk von Unternehmungen und keine Parteiorganisation klassischen Typs mehr. Im Schatten dieser politischen Inszenierung finde die reale Politik jedoch hinter verschlossenen Türen statt. Während die demokratischen Institutionen formal weiterhin intakt seien (sogar ausgebaut würden), entwickelten sich politische Verfahren zunehmend auf einen Zustand zu, der vordemokratisch genannt werden könne.

Wiederbelebung

Die Demokratie könne nach Crouch auf zwei Weisen wiederbelebt werden: Durch Veränderungen, die ein erneutes politisches Engagement hervorrufen, oder (was in demokratischen Systemen wahrscheinlicher sei) durch die Entstehung neuer kollektiver Identitäten, die die Formen der Partizipation an Debatten und Entscheidungen verändern.

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