Liberstad

John Holmesland ist Gründer von Liberstad – und in seinen Augen ist sein Konzept ein Beitrag für eine neue Gesellschaft. Er kaufte im Süden von Norwegen ein Stück Land und plante ein Projekt im Dienste der persönlichen Freiheit. Er habe von Disneyland und großen Hotelanlagen gelernt, sagte er in einer Präsentation. Er kombiniere die Vorteile mit der Idee des Krypto-Anarchismus. Die ganze Stadt soll ein kollaboratives Projekt werden.

Auf der offiziellen Website ist zu lesen: „Liberstad will be established on June 1st 2017 in Marnardal Municipality in southern Norway. 100 people form 25 different countries have bought plots in Liberstad and will be the first landowners in what will become Norways first private city.”

Krypto-Anarchismus

Liberstad ist Teil des sogenannten Libertania Projects, das die Idee, weltweit privater Cities zu errichten anstrebt.

Mit folgenden Prinzipien:

  • Private Eigentumsrechte in der gesamten Infrastruktur
  • Nicht-Aggressions-Prinzip
  • Grundidee des (Krypto)Anarchismus

The CryptoAnarchist Manifesto stammt übrigens von dem Verschlüsselungstechniker und Autor Timothy C. May und hatte zunächst das Ziel Freiheit durch Sicherung der Privatsphäre zu erreichen.

Was ist das Nichtaggressonsprinzip?

Kryptoanarchisten zitieren gerne den österreichischen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek:  “Wenn wir eine freie Gesellschaft bewahren wollen, ist es jedoch wesentlich, daß wir erkennen, daß die Wünschbarkeit eines einzelnen Ziels keine zureichende Rechtfertigung für die Anwendung von Zwang ist“.  Das Zitat findet sich bei Hayek in seinem Werk „Die Verfassung der Freiheit“ unter dem Kapitel: Gleichheit, Wert, Verdienst.

Liberstadt präsentiert sich auf dem Token Market der Blockchain-Technologie.

Liberstad – A Little Piece of Freedom?

Eine Privatstadt, in der individuelle Freiheiten und die freiwillige Zusammenarbeit die Grundlage für die Entwicklung der Stadt bildet, soll Liberstad also werden. Die Immobilien sollen billiger sein als in anderen Teilen Norwegens. Ein Leben ohne Hypotheken und Mieten und ohne direkte und indirekte Steuern schwebt ihren Schöpfern vor. Damit soll das Leben entspannter einfacher und ohne hohe Lebenshaltungskosten werden. Und die ersten 100 Grundstücke sind vergeben.

Ein weiteres Projekt dieser Spielart ist Fort Galt Projekt in Valdivia, Chile. Es bietet Arbeitsplätze, Ferienwohnungen und ständige Residenzen für Anarchokapitalisten.

 

Große Netzmuräne wird von Putzgarnele geputzt. Ein Beispiel für symbiotische Kollaboration in den Tiefen des Meeres. Abb. E. Hödl

Einschätzung

Trotz des Strebens nach Individualität und Freiheit in privat angelegten Großanlagen und Stadtzentren bleibt ein Faktum bestehen: Letztlich bestimmen die Betreiber was tatsächlich passiert.

Zur Frage der Freiheit in privaten Räumen erzählt der Sozialforscher Clifford Shearing von einem Erlebnis in einem Freizeitpark: „Nachdem sich seine Tochter eine Blase gelaufen hatte und deshalb ihre Schuhe auszog, näherte sich sofort ein Angestellter. Er forderte das Mädchen auf, die Schuhe wieder anzuziehen. Ein Hinweis auf die Blase und die damit verbundenen Schmerzen half nicht. Das Mädchen musste der Aufforderung nachkommen, da der Mitarbeiter drohte, sie zu ihrem eigenen Besten aus dem Park zu führen“ (Vgl Ronneberger/Lanz/Jahn, Die Stadt als Beute, Bonn 1999).

Fazit

Diese Überlegung sollten wir für virtuelle Territorien vornehmen, die unser Leben unter dem Titel der Freiheit entspannter, einfacher und kostengünstiger machen wollen. Wenn in einer Stadt die Regeln des reinen Privatrechts gelten, dann minimiert sich der verfassungsrechtlich garantierte Grundrechtsschutz massiv. Und so ist ein solches Territorium vielleicht auf Tugenden angewiesen, die es selbst nicht produzieren kann.

 

Ubifacts 2017

Abb: Elisabeth Hödl