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Gift Culture

Eine computertechnische Facette erfährt der Begriff der Noosphäre durch den Essay des Programmierers und Mitbegründers der Open Source Initiative (OSI) Eric S. Raymond, der den Titel „Homesteading the Noosphäre“ trägt.

Der Essay Raymonds gibt Einblick in das Selbstverständnis der (frühen) Hacker-Communities und erhellt die Open Source Idee. Open Source – und damit ist Software gemeint, die frei distribuierbar, gut entwickelt und modifizierbar ist – wird als eine wichtige gesellschaftliche Angelegenheit dargestellt. Zu ihrer Entwicklung bedarf es kollektiver Anstrengungen.

Die gedanklichen Wurzeln der Open Source Bewegung finden sich in einer noosphärischen Vorstellung. Raymond überträgt das akademische Gleichnis „Zwerge auf den Schultern von Riesen“ auf die Hackerkultur  und sieht offensichtliche Parallelen der Geschenkkultur der Hacker zur akademischen Welt. Indem der Wissenschaftler die eigenen Beiträge dem vorgefundenen Wissensschatz hinzufügt, entsteht Fortschritt. Auf diese Weise können die Zwerge die Riesen überragen.

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Zwerge auf den Schultern von Riesen

Um die Open Source Kultur zu verstehen, müsse man auch die Idee der Geschenkkultur (gift culture) kennen. Geschenkkulturen seien nicht von Knappheit bestimmt, sondern von Überfluss. (Geschenkkulturen werden in der Regel von Ökonomen und Kultur-Anthropologen allerdings nicht als eigenständige Gesellschaftsform anerkannt.)

In der Deutungsvariante der Hacker-Kultur entstehen Geschenkkulturen jedoch dort, wo keine signifikante Knappheit in Bezug auf das Überleben besteht. Informationen gehören zu jener Art von Ressourcen, die man weitergeben kann, ohne dass man selbst das Weitergegebene verliert.

In Geschenkkulturen werde der soziale Status nicht durch das bestimmt, was jemand besitzt, sondern durch das, was er weitergeben kann.

Hacker, die sich dieser Idee verpflichtet sehen, wenden unzählige Stunden und große Konzentration auf, um hochwertige Open Source Codes zu schreiben, die sie dann als Gabe (gift) an die Community weitergeben.

Die Kritik der Hacker-Communities richtete sich gegen das Horten von Ressourcen, aber vor allem gegen die Übermacht und Monopolisierung einzelner Unternehmen. Die Ablehnung galt den Königsprotokollen des Software-Establishments wie IBM und heute Microsoft. Das verfügbare Maß für Erfolg ist der Ruf unter Kollegen.

Territorialer Anspruch auf die Noosphäre

Im Laufe der Zeit scheinen sich folgende Regeln in der frühen Hacker-Kultur etabliert zu haben:

  1. Ein Projekt, das nicht funktioniert, ist wertlos, gleichgültig wie clever und originell es ist.
  2. Arbeiten, die die Noosphäre ausweiten, sind besser, als Arbeiten die ein bestehendes Stück funktionalen Territoriums duplizieren. Hiervon gibt es natürlich Ausnahmen. (Die Mitglieder der Samba-Gruppe etwa gelten nach Raymond als Helden, weil sie ein von Microsoft beherrschtes Territorium neutralisiert haben und damit die Noosphäre erweitert haben.)
  3. Arbeiten mit großer Distribution, die sich großräumig verbreiten, sind renommierter, als andere.
  4. Wird ein Projekt von vielen genutzt, ist dies die größte Form der Anerkennung.
  5. Das Hinzufügen einer weiteren Funktion wird als höherwertig eingestuft, als die Beseitigung von Fehlern und Bugs (außer natürlich, es handelt sich um einen überaus hartnäckigen Fehler, so dass dessen Behebung auf ungewöhnliche Fähigkeiten und Kenntnisse hinweist).

Neben dem Einsatz von Energie und Zeit sind Gaben für Raymond in Form von Codes komplexe Artefakte des Denkens. Im Vergleich zu der Kultur der Cracker gilt in der Hacker-Community nach der Definition Raymonds die eigene Arbeit als Statement. Die Qualität der Arbeit muss für sich selbst sprechen. Nur wenn der Code funktioniert, erhöht sich das Wissen der Gemeinschaft.

Was den Begriff der Noosphäre betrifft, so wird Raymond explizit: Eigentum ist die Abstraktion von Territorium. Die Gründung eines Open Source Projektes ist ein territorialer Anspruch auf die Noosphäre.

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