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Das kosmische Gehirn

Der Medientheoretiker McLuhan hat den Begriff der Noosphäre aus dem theologischen Kontext gelöst und für die Medientheorie fruchtbar gemacht. Die Transformation der traditionellen Medien veranlassten McLuhan den Ansatz der Noosphäre zur Basis seines Hauptwerks „Understanding Media: the Extension of Man“ zu machen.

Am bekanntesten wurde McLuhans Gedanke, wonach die elektronischen Medien als globale Erweiterung des menschlichen Nervensystems fungierten. Dadurch dient der Begriff der Noosphäre in der Medientheorie der Beschreibung virtueller Realitäten. McLuhan spricht von einer „kosmischen Membran“, die sich durch die elektrische Erweiterung der menschlichen Sinne um den Globus legt. (McLuhan, M., Die Magischen Kanäle. Understanding Media, Düsseldorf 1968)

Die Noosphäre ist damit der zentrale Begriff für das Neuronale der Digitalnetze, das technische Gehirn für die Welt. Er stellte fest, dass wir mit jeder dieser technischen oder kulturellen Erweiterungen gleichzeitig in unseren (körper-)eigenen Fähigkeiten reduziert werden. McLuhan spricht von Amputation.

„Um Ordnung in diesen aufgewirbelten Kosmos zu bringen, muss der Mensch dessen Zentrum finden“ schreibt McLuhan 1962:

„Statt sich auf eine riesige alexandrinische Bibliothek hin zu bewegen, ist die Welt ein Computer geworden, ein elektronisches Gehirn, wie wir das in einem naiven Zukunftsroman lesen können. Und so wie unsere Sinne sich nach außen begeben haben, so dringt der Große Bruder in uns ein. Folglich werden wir, wenn wir uns dieser Dynamik nicht bewusst sind, schlagartig in eine Phase panischen Schreckens hineingeraten, was genau zu unseren kleinen, von Stammestrommeln widerhallenden Welt, zu unserer völligen Interdependenz und aufgezwungenen Koexistenz passt.“ (Coupland, Marshall McLuhan. Eine Biographie. Stuttgart 2011, 206.)

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Vampyroteuthis Infernalis

In der Medientheorie Flussers wird dieser Gedanke fortgeführt. In dem mit dem „Zoosystemiker“ Bec verfassten Text „Vampyroteuthis Infernalis“ beschäftigt sich Flusser medientheoretisch mit dem Bild des Riesenkraken in den Tiefen des Ozeans und hält damit dem Kulturleben des Menschen Vampyroteuthis Infernalis spiegelartig entgegen: „Beide, Vampyroteuthis und Menschen, erwerben Informationen, um sie an andere weiter zu geben. Das tun viele unter den sogenannten höheren Tieren. Bei vielen Säugetieren und Vögeln etwa werden spezifische Verhaltensmodelle (zum Beispiel Jagd oder Flucht) von der Mutter an die Jungen übertragen.

Doch ist der Fall beim Menschen und, in Analogie, bei Vampyroteuthis anders. Es geht nämlich darum, die erworbenen Informationen im Gedächtnis zu speichern, dieses Gedächtnis mit immer neuen Informationen zu füttern und sie, so bereichert, weiterzugeben.

Bei Menschen und Vampyroteuthis ist die Informationsübertragung ein kumulativer Prozess, das heißt, sie sind historische Tiere, gleichsam Tiere, die ihre Tierheit überwunden haben.“ (Flusser/Bec, Vampyrotheutis Infernalis, Eine Abhandlung samt Befund des Institut Scientifique de Recherche Paranaturaliste3, Göttingen 2002, S. 58-59; Flusser, Ins Universum der technischen Bilder3, Göttingen 1990, 29.)

Sein Ko-Autor Bec formuliert an anderer Stelle: „Es geht um den Anschluß des Universums, um Herstellung anpassungsfähiger und wuchernder Morphologien an das informatische Universum“. Das Individuum verwandle sich in ein Interface, das das Paradigma für eine neue Oberflächlichkeit darstellt. (Virilio, Das öffentliche Bild, in Rötzer (Hrsg) Digitaler Schein, Frankfurt 1991, 343-345.)

Flusser spricht vom Umschwung vom kosmischen Dorf zum kosmischen Gehirn.

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