conditio humana

Der österreichisch-ungarische Schriftsteller Arthur Koestler (1905-1983) entwarf in seinem Werk „Der göttliche Funke“ eine Theorie des schöpferischen Aktes. Er war auf der Suche nach jenen bewußten und unbewußten Prozessen, die jeder wissenschaftlichen Entdeckung, jeder künstlerischen Originalität und jedem komischen Einfall zugrunde liegen.

Und so schreibt Koestler:

„Gewohnheiten sind von unterschiedlicher Flexibilität; geht man ihnen unter gleichbleibenden Bedingungen wiederholt nach, so neigen sie dazu, starr und automatisch zu werden. Aber selbst eine elastische Zwangsjacke bleibt eine Zwangsjacke, wenn der Patient keine Möglichkeit hat, sie loszuwerden. Der Behaviorismus, die maßgebliche Schule der heutigen Psychologie, hat die Tendenz, den Menschen zu einem solchen Patienten zu degradieren, die conditio humana auf die eines konditionierten Automaten zu reduzieren. Bis zu einem gewissen Punkt halte ich diese Ansicht für niederschmetternd richtig – und eben an diesem Punkte, an dem sie meiner Meinung nach aufhört, richtig zu sein, beginnt die Auseinandersetzung (…).

Es gibt zwei Möglichkeiten, der mehr oder weniger automatisierten Routine unseres Denkens und Verhaltens zu entkommen. Die erste besteht ganz einfach darin, in Träumen und traumähnlichen Zuständen unterzutauchen, in denen die Regeln rationalen Verhaltens aufgehoben sind. Die andere Möglichkeit ist ebenfalls eine Flucht – vor Langeweile, Stagnation und anscheinend unlösbaren Problemen – aber eine Flucht in entgegengesetzter Richtung: sie kündigt sich durch das plötzliche Aufblitzen einer Erkenntnis an, die eine an sich vertraute Situation oder Begebenheit in einem neuen Licht zeigt und eine neue Einstellung zu ihr hervorruft.

Der bisoziative Prozeß verbindet bisher unverbundene Erfahrungssysteme; er läßt uns, um mit T.S. Eliot zu sprechen, „verstehen, was es heißt, erwacht zu sein und auf verschiedenen Ebenen zugleich zu leben.“

Arthur Koestler: Der göttliche Funke, 36.

London, Mai 1966

 

 

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